IDM der J/70: inklusiver Spitzensport
Darunter sind Top-Crews mit weltmeisterlicher Verstärkung und fünf inklusive Teams mit krebskranken, sehbehinderten und gehörlosen Aktiven an Bord. Damit beweist sich die Kielbootklasse einmal mehr als Paradebeispiel für inklusiven Spitzensport.
„Die Trauben hängen hoch, das wird ein hartes Stück Arbeit“, prophezeit Vorjahressieger Carsten Kemmling. Zu gern würde der Hamburger mit seinem Quartett noch einmal die Kieler Woche gewinnen, bevor er der J/70 wohl den Rücken kehrt. „Ich wage es nochmal solo“, verrät der Steuermann, der in der Laser-Jolle großgeworden ist, „und übe schon im Contender.
“Die stärkste Konkurrenz sieht Kemmling in den Clubkameraden vom Norddeutschen Regatta Verein (NRV). Vor allem Michael Grau biete mit US-Trimmer und J/80-Weltmeister Willim van Waay sowie Taktiker und Sydney-Hobart-Gewinner David Chapman eine Starbesetzung auf. Aber auch Dauerrivale Claas Lehmann mit 470er-As Frederike Loewe an Bord sei für das Podium gut. Gespannt wartet die J/70- und die Seesegel-Szene auf das Abschneiden der beiden Boote vom Halbtrocken Sailing Team von ORC-Europameister Michael Berghorn (Kieler Yacht-Club).
Weitgehend unbekannt ist das Potential der späten koreanischen Meldung der Familiencrew von Changyun Kim. Als Geheimtipp unter den ausländischen Startern gilt der Schweizer Stefan Seger vom Regattaclub Oberhofen, der bereits im Champions-League-Finale war. Im Ligabetrieb allerdings ist das Reglement anders. Die Kieler Woche mit IDM wird nach den Klassenregeln gesegelt. Motor, Feuerlöscher und mehr gehören zur Pflichtausrüstung. Zwei Crewmitglieder dürfen aufrecht auf der Bordkante sitzen, aber nicht außenbords hängen zum Gewichtstrimm. „Das soll den älteren Eignern und Teams entgegenkommen“, erklärt Carsten Kemmling, mit entsprechendem Zulauf. Bei der Corinthian-WM der Amateure nach Pfingsten in Riva am Gardasee waren 80 Startplätze innerhalb von 20 Minuten vergeben.
Ihren absoluten Saisonhöhepunkt feiern gleich fünf inklusive Segelprojekte auf der Kieler Woche. Sie unterstreichen die wachsende Bedeutung der Initiative gelebte Inklusion auf der Regattabahn, die vor zwei Jahren vorangetrieben von Sven Jürgensen zum ersten Mal vor Schilksee sichtbar wurde. 2023 wird die Premiere des Hamburger Vereins anBord, der krebskranken Menschen das Wettsegeln ermöglicht. Ebenfalls neu dabei ist das Team Blinde Side von der Segelabteilung des Offenbacher Rudervereins und des Segelclubs Prinzensteg. Nach intensivem Training auf dem Halterner Stausee und der Feuertaufe beim DSL-Pokal in Hamburg freut sich besonders der blinde Segler Luke Wachtel auf die Ostsee. Er unterstützt Steuerfrau Annika Ellerbrock am Traveller.
Bereits Stammgast auf der Kieler Woche ist das Bat Sailing Team, eine Kooperation des FC St. Pauli mit dem NRV. Die „Helga“ mit einem Gehörlosen und einem Sehbehinderten im Quintett wird erneut von Leon Tyssen geskippert. Zwei Crewmitglieder der „Blindfisch“ haben eine Sehbeeinträchtigung. Mit Marvin Hamm am Steuer gelang voriges Jahr auf Platz 30 von 38 Booten mehr als ein Ausrufezeichen. Mit großem Abstand Erfolgreichster an Bord der „7Ocean“ vom Yachtclub Möhnesee ist kein geringerer als Siegmund „Siggi“ Mainka. Der doppelt Beinamputierte gewann Gold und Silber bei den Paralympics 2008 und 2012.
Die Inklusion wird auf der Kieler Woche auch am Rande der Regattabahn gelebt. Dafür sorgt der Verein Inklusives Segeln für Alle. Er bringt eine umgebaute Bente 24 nach Kiel und lädt von Montag bis Sonnabend (19. bis 24. Juni) Segelfans mit Rollstuhl zu Regattabegleitfahrten ab Schilksee ein. Wer dabei sein will, meldet sich bei sven.juergensen@wir-sind-wir.org oder telefonisch unter 0171-683-5555 an.
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